Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings IV:
ELECTRE-Modell zur Priorisierung von Immobilieninvestments – Strukturierte Lösung eines klassischen Entscheidungsproblems

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Vorwort

Modulares Immobiliencontrolling

In Zeiten volatiler Immobilienmärkte und einer hohen Wettbewerbsintensität der Immobilienbranche sind leistungsfähige Systeme der Planung, Steuerung, Kontrolle und Informationsversorgung unverzichtbar. Das Immobilien- und Portfoliocontrolling unterstützt diese Aufgaben durch eine integrierende Gesamtkonzeption, leistungsfähige Analysetools und zielgerichtete Beratungsleistungen.

Insbesondere bei internationalen Immobilienportfolios und aktiven Investmentstrategien steigt die Komplexität der notwendigen Datenrecherche, Auswertung und Interpretation. Daraus resultiert ein hoher Bedarf an leistungsfähigen Fachkonzepten und Software­lösungen. Aber auch bei einer weniger aufwändigen Struktur – etwa einem Portfolio aus zehn Büroimmobilien im Inland oder bei einem klassischen Wohnungsunternehmen – kann nicht einfach eine gleichmäßige, vorhersehbare Entwicklung der Liquidität und Performance vorausgesetzt werden. Das Controllingsystem muss die jeweiligen Chancen und Risiken erkennen und verarbeiten. Immobilienwirtschaftliche Entscheidungen können demnach nicht „aus dem Bauch heraus“ erfolgen. Hohe Anlagevermögen, immanente Risiken und die Verantwortung gegenüber Eigentümern, Nutzern, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern verlangen, dass das Management konsistente Strategien verfolgt, Informationen erhebt, Daten aufbereitet und Alternativen mit Hilfe von Tools und Kennzahlen bewertet. Die in einem modernen Management- und Controlling-System erreichbare Transparenz unterstützt nicht nur die oberste Führungsebene. Sie bildet zudem eine wichtige Grundlage für die Kommunikation im internen Team sowie gegenüber externen Partnern.

Das Immobiliencontrolling widmet sich dabei zunehmend Fragen der Planung und Entscheidungsunterstützung. Im Vordergrund steht die Bewertung von Handlungs­optionen und die Ableitung entsprechender Empfehlungen. Mögliche Maßnahmen und Entscheidungen zur Optimierung des Portfolios können nicht mit „Trial and Error“-Methoden getestet werden. Dazu sind die Vermögenswerte zu hoch und die notwendigen Beobachtungszeiträume zu lang (Stichwörter: Unteilbarkeit der Assets, Time Lags, mehrjährige Zyklen). Vielmehr müssen Alternativen hinsichtlich ihres Erfolgs- und Risikobeitrages stets vorab bewertet werden. Eine vollkommene Sicherheit ist zwar nicht erreichbar, jedoch können methodische Verbesserungen die Entscheidungsqualität signifikant verbessern. Der Ausbau der jeweiligen Analysemethoden ist nur ein erster Schritt, ebenso wichtig ist eine gute Integration in das Immobilienunternehmen bzw. dessen Portfoliomanagement.

Immobiliencontrolling beschäftigt sich nicht als einzige Instanz im Unternehmen mit der Erstellung von Analysen, Kennzahlen, Reports und Empfehlungen. Oftmals wird nicht einmal eine eigene Abteilung mit der Bezeichnung „Immobiliencontrolling“ bzw. „Portfoliocontrolling“ zu finden sein. Die Institutionalisierung ist jedoch nicht entscheidend, vielmehr kann das mit dem Controlling verbundene Aufgabenspektrum auch über eine Verteilung und Vernetzung abgedeckt werden. Je nach Organisationsstruktur sind hierfür Bereiche wie das Risikomanagement, das Rechnungswesen, das Portfoliomanagement, das Asset Management, das Research, das Marketing, das Transaktionsmanagement, die Finanzplanung oder die taktische Portfoliosteuerung relevant. Bei der genaueren Betrachtung der einzelnen Stellen und Abteilungen zeigen sich Überschneidungen, Wechselwirkungen und Ergänzungen zum Kernbereich des Immobiliencontrollings. Für die Wirksamkeit des Management-System ist die individuelle Stellenzuordnung nicht entscheidend. Wichtig ist vielmehr, dass ein schlüssiges Gesamtkonzept zum Immobilien- und Portfoliocontrolling existiert und dieses auch organisatorisch umgesetzt wird.

Aufgrund der Heterogenität von Immobilienportfolios, Managementsystemen und Rahmenbedingungen kann die Literatur keinen vollständigen, allgemeingültigen Controllingstandard vorgeben. In den verfügbaren theoretischen Grundlagen zum Immobiliencontrolling werden jedoch

  • wichtige Abgrenzungen vorgenommen (z. B. Objektsicht vs. Subjektsicht),
  • zentrale Begriff definiert (z. B. Vermietungsstand, Kennzahlensystem),
  • notwendige Entwicklungsschritte beschrieben (z. B. Top-Down-Ansatz).
  • Allgemein gesehen, schafft das Immobiliencontrolling ein Informationsverarbeitungssystem, welches die Immobilie bzw. das Portfolio ganzheitlich und kontinuierlich erfasst, Abweichungen von Zielvorgaben erkennt und alternative Lösungsmöglich­keiten beurteilt. Immobiliencontrolling lässt sich grundsätzlich nicht auf Einzelaktivitäten beschränken, sondern es muss zu einer logischen, geschlossenen Gesamtkonzeption ausgebaut werden. Innovatives Controlling orientiert sich heute nicht mehr an der Abarbeitung traditioneller Kostenrechnungsmodelle, sondern stellt die vom Management benötigten internen Beratungs- und Serviceleistungen flexibel und in einer hohen Qualität bereit. Ausgangspunkte sind immer vorgegebene, i.d.R. langfristige Eigentümerziele. Immobilien werden in der Betrachtung entsprechend instrumentalisiert. In diesem Sinne ist Immobiliencontrolling ein ganzheitliches System zur Durchsetzung von Eigentümerzielen, welches selbständig und konti­nuierlich bei Immobilien unter Beachtung ihres Umfeldes entsprechende Aufgaben der Information, Planung, Steuerung und Kontrolle definiert und wahrnimmt.

    Immobiliencontrolling installiert im Management einen ganzheitlichen Informationsverarbeitungsprozess. Dieser vernetzt die existierenden System-Elemente< wie Funktionen, Aufgaben, Daten, Prozesse und Instrumente. Es entsteht ein kontinuierlich ablaufender Algorithmus folgender Art:

  • Beobachtung von Eigenschaften der Immobilie selbst, des Managements sowie des Umfeldes,
  • Generierung von Signalen bzw. Empfehlungen in Form von Kennzahlen, Daten, Charts und Berichten,
  • Ableitung und Bewertung von Entscheidungsalternativen unter Einbeziehung von Vorgaben des Eigentümers und weiterer relevanter Rahmenbedingungen,
  • Umsetzung von Maßnahmen zur Veränderung der Immobilien, der Portfolio­struktur, des Managements und in Ausnahmefällen auch des Umfeldes.
  • Unternehmensspezifische Controllingsysteme werden in individuellen Projekten konzeptionell entwickelt und anschließend im immobilienökonomischen Managementsystem implementiert. Dabei werden allgemeine Modelle und Standards soweit angepasst und konkretisiert, dass sie die vorgegebenen Ziele und festgestellten Rahmenbedingungen bestmöglich unterstützen. Zu beachten sind dabei die nutzbaren Ressourcen, welche für die Entwicklung und den laufenden Betrieb des Systems tatsächlich zur Verfügung stehen. Controllingsysteme sind daher immer Unikate.

    Der Ausschluss eines universell einsetzbaren Controllingsystems muss jedoch nicht die grundsätzliche Abkehr von jeglicher Standardisierung bedeuten. Eine Lösung bilden vordefinierte Controllingmodule, welche die geforderte Qualität mit der notwendigen Flexibilität vereinbaren. Controllingmodule stellen ausgereifte Lösungen für abgegrenzte Teilprobleme dar. Geeignete Module werden im jeweiligen Anwendungsfall aus einer „Controlling-Tool-Box“ selektiert und zu einem individuellen Controllingsystem kombiniert.

    Eine solche Controlling-Tool-Box entsteht durch Kombination wissenschaftlicher Studien, praxisnaher Fachkonzeptionen, marktgängiger Softwareanwendungen, verfügbarer Datenbanken und spezifischer Beratungsangebote. Inhaltlich bietet sie dem Portfoliomanagement und Controlling eine Auswahl an Basismodulen und Spezialmodulen an. Basismodule unterstützen grundlegende Funktionen und Prozesse. Sie werden daher in den meisten Controllingsystemen eingesetzt. Dazu zählen u.a. Kennzahlen­systeme, DCF-Kalkulationen, Bewertungsverfahren, Benchmarking-Systeme, Balanced- Scorecard-Lösungen und Modelle der Entscheidungsunterstützung, die u. a. in diesem Buch besprochen werden.

    Spezialmodule können je nach Situation und Bedarf das Basissystem ergänzen. Eine Gesamtaussage zum Risiko des Portfolios lässt sich z. B. mittels Checklisten, Scoring-Modellen, Monte Carlo-Simulationen oder Value-At- Risk-Modellen erzeugen. Hierbei besteht eine gewisse Wahlfreiheit. Die Entscheidung wird u.a. von der Zielstellung, der Interpretierbarkeit (Know How) und den Ressourcen (Software, Daten, Personal) beeinflusst. Andere Spezialmodule werden vielleicht nur in besonderen Situationen benötigt (z. B. Conjoint-Aalysen zur Produktoptimierung) oder setzen bestimmte Vorsysteme voraus (z. B. Portfolioanalysen mit spezifischem Datenbedarf aus der Objektebene).

    Eine wissenschaftliche Bearbeitung des Themas „Immobiliencontrolling“ wurde rest Ende der 1990er Jahre wahrnehmbar und zeigte seitdem eine stetige Weiterentwicklung. Auf einer ersten Stufe entstanden grundlegende, themenübergreifende und strukturorientierte Publikationen zum Immobilien­controlling. Sie präsentierten ganzheitliche Konzeptionen, welche sich am Lebenszyklus der Immobilie orientieren oder den Aspekt der Informationsverarbeitung in den Vordergrund stellen. Für ein einführendes Studium zur grundsätzlichen Konzeption, den wichtigsten Entwicklungsschritten sowie möglichen Ausbaustufen sei auf diese Grundlagenwerke verwiesen, an dieser Stelle soll auf eine detailliertere Einführung in das Immobiliencontrolling verzichtet werden.

    Neben den bekannten immobilienspezifischen Quellen ist immer auch die Lektüre allgemeiner betriebswirtschaftlicher Controlling-Literatur zu empfehlen. In anderen Wirtschaftsbereichen finden sich diverse Controlling­ansätze als Vorlage. Die in dieser Literatur beschriebene Philosophie des Controllings kann oft auf den Immobilienbereich übertragen werden. Dies umfasst im Einzelnen auch zahlreiche Instrumente und Kennzahlen, insbesondere wenn diese strategisch ausgerichtet sind. Häufig entstehen auf dem Weg der Übertragung, Anpassung und Weiterentwicklung neue Lösungen.

    Die hier weitergeführte Reihe „Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings“ widmet sich spezifischen Modulen des Immobiliencontrollings. Mit jedem Band stellen wir innovative, immobilienwirtschaftlich anwendbare Lösungen im Detail vor, wobei jedoch stets auch der Gesamtkontext erläutert wird. Wir greifen damit den Ansatz einer „Controlling-Tool-Box“ auf, für die nun die Instrumente zu definieren sind. Diese können dann später für das individuelle Controllingsystem ausgewählt und kombiniert werden.

    Im Band I der Reihe stellten wir mit der „DCF-Bewertung“ und dem „ Kostenbenchmarking“ zwei erste Module vor. Das erste Modul zeigte die schlüssige Ableitung eines am Cash Flow orientierten Ertragswert­verfahrens ausgehend vom klassischen Ertragswertverfahren nach ImmoWertV (Ansatz der Nachhaltigkeit). Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse deutscher und angelsächsischer Verfahren – eine entsprechende Umrechnung der Parameter vorausgesetzt – durchaus identisch sein können. Für diverse Fälle wurden Mängel der WertV-Ansätze nachgewiesen. Das zweite Modul „ Kostenbenchmarking“ umfasste eine Fachkonzeption zur Erfassung, Analyse und Optimierung von Bewirtschaftungskosten. Dabei wurde eine Lösung entwickelt, welche die beiden Controllinginstrumente „Kennzahlensystem“ und „Benchmarking“ miteinander vernetzt. Es zeigte sich, dass eine zielgerichtete Auswertung von Großbeständen (z. B. Wohnportfolios) nur mit Hilfe mehrstufiger Kennzahlensysteme möglich ist. Entscheidend sind Definitionen und Normierungen. Eine Aussage entsteht, wenn qualitative Aspekte (z. B. Lage, Architektur, Ausstattung) und quantitative Ergebnisse (z. B. diverse Kostenarten) über Ursache-Wirkungs-Ketten in Beziehung gesetzt werden. Über Gewichtungen oder den Vergleich homogener Cluster erhält der Kostenmanager Auswertungen, welche die exakte Identifikation kritischer Objekte bieten. Speziell diese können dann zielgerichtet geprüft und optimiert werden.

    Band II der Reihe widmete sich Informationsdefiziten, welche sich gerade bei komplexen nationalen und internationalen Portfolios zeigen. Ein aussagefähiges Reporting, wie es bei Direktanlagen im Inland Standard ist, scheitert dort oftmals an inhaltlichen, technischen oder organi­sa­torischen Umsetzungsproblemen. Dafür ganzheitliche Lösungen zu finden, war Inhalt vorheriger wissenschaftlicher Studien und fokussierter Praxisprojekte bei Banken und Fondsgesellschaften. Die generellen, projektübergreifenden Erkenntnisse bildeten die Ausgangsbasis für dieses Buch. Die Modelle und Beispiele zur Strukturierung eines Reportingsystems gehen von einem größeren internationalen Portfolio aus. Dabei werden insbesondere die Auswirkungen aus der zusätzlichen Integration von Teilportfolios, Objektgesellschaften und Holdings betrachtet. Aus der resultierenden Komplexität ergeben sich besondere Analyseaufgaben sowie ein neuer Reportingbedarf. Insgesamt entsteht ein mehrstufiges Reporting-Modell, welches von organisatorischen Maßnahmen flankiert wird. Der Datenfluss geht von der Immobilienebene (Property Management) aus, berücksichtigt diverse Zwischenstufen wie Objektgesellschaften und Holdings (Asset Management) und ermöglicht schließlich Auswertungen auf der Fondsebene (Portfoliomanagement). Das gezeigte Vorgehensmodell bereitet die individuelle Umsetzung im jeweiligen Unternehmen durch Hintergrundwissen und einen theoretischen Rahmen vor. Gleichzeitig soll dieses Buch jedoch nicht einschränkend wirken. Auf zu enge Vorgaben, etwa eine Sammlung fertiger Berichts-Layouts, wurde daher bewusst verzichtet. Das Modell bleibt skalierbar. Möglich ist z. B. eine Reduzierung für kleinere Fonds und Direktanlagen. Im Detail müssen alle verwendeten Daten und Kennzahlen exakt definiert werden. Eine sinnvolle und sichere Nutzung der Ergebnisse wäre andernfalls kaum möglich. In einem Exkurs werden daher die vielfältigen Varianten und Wirkungen am Beispiel der Kennzahl "Effektivmiete" ausführlich und nachvollziehbar präsentiert.

    Band III der Reihe behandelt mit der Balanced Scorecard ein multikriterielles Controlling-Tool, welches die einseitige Sicht auf finanzielle Kennzahlen verlässt und auch qualitative Faktoren in aktuellen Statusberichten abbildet. Eine differenzierte Betrachtung von Einflussfaktoren, Potenzialen und Risiken wird damit möglich, was am Beispiel eines Wohnungsunternehmens nachvollziehbar gezeigt wird. Die in diesem Band präsentierte immobilienwirtschaftliche Balanced Scorecard bietet dem Management ein geeignetes Controllinginstrument an, mit welchem sich auch komplexe Unternehmen bzw. Portfolios mit einem teilweise sehr breiten Analysespektrum überwachen und zielgerichtet steuern lassen. Balanced Scorecards etablieren kein separates Kennzahlensystem und sind auch nicht als reines Reporting zu verstehen. Kennzahlen spielen hier nur anteilig eine Rolle. Ebenso entscheidend sind Ziele, Vorgaben und Steuerungsprozesse, also ein aktives Management. Der eigentliche Ansatz besteht in der optimalen Nutzung von Wertschöpfungsketten entsprechend einer Strategie, wobei differierender Teilziele untereinander ausgeglichen werden sollen. Entsprechende Managementansätze werden anhand einer Case Study aus der immobilienwirtschaftlichen Praxis nachvollziehbar besprochen.

    Zu den ersten drei Bänden der Reihe „Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings“ erhielten wir zahlreiche Reaktionen, Fragen und Anregungen. Gleichzeitig hatten wir die Gelegenheit, weitere spannende Entwicklungsprojekte im Bereich Immobiliencontrolling- und Portfoliomanagement zu begleiten. Dabei konnten wir feststellen, dass das Analysespektrum der Immobilienökonomen stetig ausgebaut wird. Dies betrifft insbesondere Verbesserungen im Research und im Reporting.

    Größeren Entwicklungsbedarf sehen wir im Bereich Planung und Entscheidungsunterstützung. Aus unterschiedlichen Gründen – beispielsweise der Unübersichtlichkeit von Entscheidungssituationen und Abbildungsproblemen bei komplexen Handlungsalternativen werden in der immobilienwirtschaftlichen Praxis zahlreiche, auch wichtige Entscheidungen oft intuitiv („aus dem Bauch heraus“) getroffen. Sie stützen sich fallweise auf ein bestimmtes Erfahrungswissen („Marktkenntnis“), ein subjektives Empfinden („einmaliger Deal“), ein festes Handlungsmuster („Standard“) oder das abgeschaute Wettbewerberverhalten („Herdentrieb“). Auch ein solches Handeln kann – eine passende Intuition vorausgesetzt – letztendlich erfolgreich sein. In zunehmendem Maße müssen jedoch auch solche, subjektiv geprägten Entscheidungen begründet und dokumentiert werden. Entsprechende Szenariobeschreibungen, Checklisten oder Punkteverfahren schaffen zwar eine gewisse Transparenz für Aufsichtsorgane und Anleger, können jedoch unter Controllinggesichtpunkten allenfalls als Basisstufe angesehen werden.

    Immobilienwirtschaftliche Entscheidungsmodelle werden oft auf den Vergleich von Renditen oder Scores reduziert. Der Fokus liegt dabei auf einer einzelnen Kennzahl. Diese einseitige Bewertung greift regelmäßig zu kurz. Tatsächlich sind bei Investitionsentscheidung stets mehrere Eigenschaften (Kriterien) wichtig. Keine Investitionsentscheidung kann ohne parallele Betrachtung von Standortqualität, Objektqualität und Rendite getroffen werden. Hinzu kommen typischerweise weitere Kriterien. Die Entscheidung ist damit nicht mehr mittels trivialer Regeln im Sinne von „mehr ist besser als weniger“ zu treffen, wenn unterschiedliche Immobilien (Alternativen) gegensätzliche Eigenschaften aufweisen. Beispielsweise könnte Investitionsalternative A die beste Rendite aufweisen. Das Alternative B befindet sich vielleicht an einem perfekten Standort. Die Immobilie C ist neu errichtet und weist – bei einer typischerweise geringeren Anfangsrendite – eine sehr hohe Bauqualität auf. Eine einfache Sortierung ist nicht mehr möglich.

    Für diese typische immobilienwirtschaftliche Entscheidungssituation stellen erweiterte Entscheidungsmodelle aus der Gruppe der multikriteriellen Verfahren geeignete Lösungsansätze zur Verfügung. Speziell die Untergruppe des Outranking beschäftigt sich mit der Strukturierung, Ordnung und Priorisierung von auf den ersten Blick schwierig oder nicht vergleichbaren Alternativen. Die grundlegende Methodik muss nicht neu entwickelt werden. Vielmehr kann auf vielfältige Erfahrungen aus dem Bereich der Wirtschaft, der Technik, der Soziologie oder auch des Militärwesens und der Infrastrukturplanung zurückgegriffen werden.

    Als spezifische immobilienwirtschaftliche Fragestellung dient an dieser Stelle die Auswahl und Priorisierung von Zielmärkten durch das Portfoliomanagement eines internationalen Immobilienfonds. Unabhängig von einer anderweitig vorgegebenen strategischen Portfolioallokation (z. B. Emissionsprospekt, Markowitz-Modell) muss zumindest im taktischen Bereich der Akquisition eine Priorisierung stattfinden, da nicht alle denkbaren Immobilienmärkte zeitgleich und mit gleicher Intensität bearbeitet werden können bzw. sollen. Die entsprechenden Entscheidungsmodelle müssen daher die relevanten Daten zu Volkswirtschaft, Rechtssystem, Immobilienmarkt und weiteren Faktoren so erfassen und verarbeiten, dass in der aktuellen Situation eine Rangfolge empfohlen werden kann.

    Die Formalisierung des Entscheidungsproblems „Priorisierung von Zielmärkten“ erfolgt an dieser Stelle mit dem ELECTRE-Verfahren, da damit unterschiedliche Konstellationen sehr gut abzubilden sind. Aktuelle Marktdaten werden dazu beispielhaft verarbeitet. Unabhängig vom hiermit berechneten Beispielszenario ist eine Übertragbarkeit auf andere Märkte, Marktzyklen, Rahmenbedingungen oder Fragestellungen beabsichtigt. Dazu werden die einzelnen Schritte, Kennzahlen und Algorithmen ausführlich und nachvollziehbar erläutert. Wichtig ist uns ein qualitativer Ausbau des immobilienökonomischen Instrumentariums im Bereich der Entscheidungsunterstützung. Das erste Kapitel greift dazu noch einmal den Status Quo auf und zeigt mögliche Ausbaustufen auf. Unterstützt wird die theoretische Argumentationskette durch die Ergebnisse einer Branchenumfrage.

    Wir zeigen mit dieser Publikation anhand eines vereinfachten Beispiels typische Zielstellungen, geeignete Modelle und notwendige Entwicklungsprozesse im Bereich der Entscheidungsunterstützung. Diese dienen als Anregung für die individuelle Entwicklung von Entscheidungsmodellen, welche an die spezifischen Rahmenbedingungen wie Strategie, Portfolio, Management und Ressourcen angepasst ist. Das hier vorgestellte „Modul“ des Immobiliencontrollings soll keine Insellösung erzeugen. Übergeordnetes Entwicklungsziel bleibt stets ein ganzheitliches Controllingsystem für das individuelle Immobilienportfolio. Das multikriterielle Modell zur Entscheidungsunterstützung bildet dabei eine spezifische Lösung innerhalb einer größeren „Controlling-Tool-Box“. An weiteren Ergänzungen werden wir arbeiten.

    Wir würden uns freuen, wenn unsere Reihe bei immobilienwirtschaftlich tätigen Controllern, Investoren, Fonds­managern, Beratern, Softwareentwicklern und natürlich auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung eine interessierte und kritische Leserschaft findet. Sicher sind einige Ideen neu und noch nicht abschließend getestet. Andere Rahmenbedingungen werden weitergehende Lösungen erfordern. Unter www.immobiliencontrolling.de werden wir gern über weitere, aktuelle Studien berichten.

    Wir wünschen Ihnen eine angenehme und nützliche Lektüre. Über einen regen Austausch zu Erfahrungen und Ideen würden wir uns freuen.


    Steffen Metzner, Mareen Sawitzky

    Leipzig, Frühjahr 2015


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